Autorin-CCK-Schildmaid
AutorenLeben
Kapitel 16
„Was für eine verfickte Scheiße ist das denn?" Fluchend wandelte Skàdi durch die Dunkelheit. Ihr Blick huschte über die leblosen Fleischfetzen, die den Boden bedeckten. Ein dunkles Grollen begleitete sie und Narcos orangefarbene Augen begannen bereits zu glühen. Sie waren bereits unzählige Male abgebogen. Hatten Kammern voller Leichenreste gesehen und mussten über unzählige Blutlachen springen. Er war eindeutig angepisst.
Beruhigend streichelte sie den kniehoch gewachsenen Hund über das schwarze Fell.
„Hör auf. Du hattest Recht und ich habe meine Ruhe. Wir hätten auf der Terrasse bleiben sollen, doch erstmal darf mir der Shieldspössling erklären, wie sie darauf kommt, dass ich hier Spaß haben könnte.
Narcos gab ein weiteres dunkles Knurren von sich, als das Klirren von Metall auf Stein zu ihnen drang. Erbärmliches Gejammer ertönte, ebenso wie schmatzende Geräusche. Eine sanfte Bewegung ihrer rechten Hand ließ kleine Lichtpunkte auf ihrer Handfläche entstehen. Vor ihr offenbarte sich ein Durchgang, der kaum mehr als ein Spalt war. Narcos passte gerade so hindurch und Skàdi war selbst mit ihren 1,60m gezwungen, ihren Kopf zu senken. Spinnweben legten sich in ihren grasgrünen Haaren ab und kitzelten auf ihrer Gesichtshaut. Wut schoss ihr durch die Adern und ließ die Lichtkugeln auf ihrer Handfläche kurz aufflackern.
„Sie werden sterben. Alle", grollte sie, als ihre Jogginghose an einem der spitzen Felsen hängenblieb und der dünne Stoff aufriss.
Sie trat aus dem Felsspalt und stand in einem Gang, der deutlich heller war als jeder den sie bis jetzt hinter sich gebracht hatte. Vor ihr, mit wenigen Metern Abstand, tauchte eine Ansammlung Ghuls auf, welche sich um einen dunklen Krieger scharrten. Kunstvoll trieb er seine Klinge durch die Kreaturen. Blut und Eingeweide spritzten um ihn und zeichneten gespenstische Bilder an die Steinwände.
Skàdi runzelte die Stirn, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Wand. „Er scheint ganz gut allein zurechtzukommen."
Narcos brummte zustimmend und setzte sich gelangweilt neben sie. Sie beobachteten das Schauspiel eine Weile. Der Krieger schien nicht zu ermüden, dennoch nahm die Anzahl der Angreifer stetig zu.
„Muss einer von Jen sein. Den habe ich bei uns noch nicht gesehen", raunte sie und gähnte dabei. Vielleicht hätte sie wirklich einfach zu Hause bleiben sollen. Es sah nicht so aus, als würde ihre Hilfe wirklich gebraucht.
Doch plötzlich vibrierten die Wände, Schreie hallten gedämpft durch die Kampfgeräusche, und selbst der Krieger wechselte schlagartig die Richtung und versuchte sich, einen Weg aus den Ghulmassen zu kämpfen.
Skàdi gähnte erneut, drückte sich von der Wand ab und sah zu Narcos. „Oder diese Versager brauchen uns doch."
Narcos schüttelte sich und schien offensichtlich anderer Meinung zu sein, doch da begannen bereits feine Fragmente, um sie zu tanzen und verdichteten sich zu einem schwarzen Nebel. Skàdis grüne Iriden verblassten und schwarze, nach oben geöffnete Sicheln zeichneten sich in ihren weißen Augäpfeln ab. Um ihre Handflächen wirbelten kleine, blaue Lichtpunkte und ein breites Grinsen legte sich in ihr Gesicht.
Kaum, dass sie der Ghulhorde näherkam, vernahmen diese ihre Anwesenheit und stürmten mit erhobenen Klauen auf sie zu. Eine kaum wahrnehmbare Handdrehung ließ die Kreaturen innehalten. Ihre weit aufgerissen gelben Augen zeigten Entsetzen, während diese immer weiter aus den Augenhöhlen getrieben wurden. Ihre Klauen griffen panisch zu ihren Kehlen und zerfetzten sich dabei selbst das Fleisch. Doch selbst als deren Luftröhre offen lag, gelangte kein Sauerstoff mehr in ihre Lungen.
Ghul für Ghul fiel mit zerplatzten Augen und aus allen Öffnungen blutend zu Boden, ohne dass Skàdi einen weiteren Schritt machte.
Erst als eine tödliche Stille um sie herrschte, senkte sie die Arme und der schwarze Nebel um sie verschwand. Ihre tiefgrünen Iriden kehrten zurück und sie hob den Blick zu dem Krieger, dessen Schwert nun an ihrer Kehle ruhte. Narcos' Nackenhaare stellten sich auf. Speichel rann von seinen freigelegten Zähnen. Sein Knurren vibrierte tief durch ihre Knochen. Ein weiteres Lächeln zuckte über Skàdis Lippen, als sie ihr Wort an den Krieger richtete.
„Du willst mich nicht als Feind. Senke dein Schwert – Iskaii."
Iskaii stand reglos wie eine Statue. Seine kalten Augen, die schon so viele Schlachten gesehen hatten, musterten die kleine Gestalt vor sich. Sie reichte ihm kaum bis zur breiten Brust. Ein Hauch von Verwirrung blitzte kurz in seinen Augen auf, als er ihre seltsame Kleidung erfasste - ähnlich wie die von Freya.
Doch was ihn wirklich innehalten ließ, war nicht ihre Kleidung, sondern das, was er in ihrem Blick las. Ihre Augen strahlten eine Furchtlosigkeit aus, die ihm fremd war. Wie konnte sie so ruhig bleiben, während seine Klinge an ihrer zarten Kehle ruhte? Er spürte ihren gleichmäßigen Atem - ein sanfter, ruhiger Rhythmus.
Er war über und über mit dem schwarzen Blut und dem widerlichen Sekret der Ghuls bedeckt, die er niedergestreckt hatte. Der Gestank des Todes hing schwer in der Luft, mischte sich mit dem modrigen Geruch der uralten Krypta. Doch sie zeigte keine Spur von Angst.
Plötzlich spürte er etwas, das ihn wie ein eisiger Hauch durchzog – ihre Aura. Sie war fremdartig, ein unheilvolles Pulsieren, das seine Haut kribbeln ließ, als würde er eine unsichtbare, gewaltige Macht spüren, die jeden Moment entfesselt werden könnte. Es war die Art von Macht, die die Naturgesetze selbst zu biegen schien und er erkannte, dass sie kein Mensch war. Aber auch wenn er die Gefahr spürte, hatte sie ihre Macht nur gegen die Ghuls eingesetzt, nicht gegen ihn. Das ließ Hoffnung in ihm aufkeimen – eine zarte Blüte in einem Feld der Verwüstung.
Mit einem langsamen, bedachten Atemzug ließ er sein Schwert sinken. Die Klinge, noch immer von den Überresten der Untoten befleckt, glitt sanft von ihrem Hals. Er konnte spüren, wie sich die Anspannung in seinen Muskeln löste, doch seine Wachsamkeit blieb ungebrochen. Über ihnen vibrierte die Decke bedrohlich und das Grollen eines dumpfen Donners hallte durch die finsteren Gänge. Steinchen und lose Erdkrumen rieselten von den Wänden herab, als ob die Krypta selbst unter dem Druck des Bösen um sie herum ächzte. Aus der Dunkelheit drangen die qualvollen Schreie der noch lebenden Ghule, ein Echo des Schreckens, das bis in die tiefsten Winkel der Finsternis reichte.
Doch Iskaii ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sein Blick blieb fest auf die Frau gerichtet.
„Es scheint, Ihr habt mir etwas voraus. Immerhin kennt Ihr meinen Namen", sagte er schließlich, seine tiefe Stimme klang gelassen, als würde er an einem warmen Kamin sprechen und nicht am Rande der Hölle stehen. „Womöglich möchten Ihr und Euer Schoßhund mich aus dieser elenden Krypta begleiten und mir verraten, wer Ihr seid?"
Skàdi hielt dem durchdringenden Blick des Kriegers mit gewölbter Braue stand. Ihre Nasenflügel bebten, doch außer dem Geruch von frischem Blut und dem Gestank der ausgeweiteten Leiber drang nichts Befriedigendes zu ihr hindurch. Es fehlte die süßliche Note der Angst, die sie sonst zu diesem Zeitpunkt beflügelte. Ernüchternd. Er hatte keine. Sie nahm sich einen weiteren Moment, um seinen mit Blut überzogenen Körper zu begutachten. Seine stattliche Figur trieb ihr beinahe ein Lächeln ins Gesicht. Seine Bekleidung hingegen ließ sie an ihrem Verstand zweifeln. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, warum sie ihn verschont hatte. Wahrscheinlich lag es daran, dass er offensichtlich gegen die Kreaturen und nicht mit ihnen gekämpft hatte. Das machte ihn aber noch lange nicht zu einem Freund. Genaugenommen würde keine seiner Taten ihn dazu machen. Skàdi hatte keine Freunde.
Narcos bebte vor angestauter Frustration. Seine scharfen Krallen kratzten über den unebenen Steinboden, wobei er das schwarze Blut, welches von dem Krieger tropfte, verschmierte. Seine Augen glühten und wirkten, als würden sie jeden Moment explodieren. Iskaii hatte zwar die Klinge von ihrer Kehle genommen, doch für Narcos' Geschmack stand er eindeutig noch zu nah. Skàdi hätte ihn zur Ruhe zwingen können, doch sie dachte nicht daran. Stattdessen zog sie den Ärmel ihres ausgewaschenen grauen Hoodies über ihre Hand und wischte sich angewidert die Blutreste, die das Schwert an ihrer Kehle hinterlassen hatte, ab. Ein weiteres Beben über ihnen ließ sie den Blick von ihm lösen. Sie senkte den Kopf. Strich über das weiche Fell ihres Hundes, der sich augenblicklich entspannte und trat mit ihm an dem Krieger vorbei.
„Nein", antwortete sie knapp und bahnte sich den Weg durch die verstümmelten Überreste, die den Gang säumten. Sofort umgaben sie wieder schwarze Fragmente und bildeten eine schützende Nebelwand um sie, während gleichzeitig eine bittere Kälte den Raum erfüllte.
Iskaii hob eine Augenbraue und verfolgte die Gestalt, die sich in die Dunkelheit zurückzog, mit einem wachsamen Blick. Sie war zweifellos das merkwürdigste Wesen, das ihm jemals begegnet war. Ihr Gang hatte eine seltsame Mischung aus Eleganz und Wildheit, als würde sie gleichermaßen zwischen zwei Welten wandeln. Irgendetwas an ihr machte ihn unruhig, aber er konnte nicht genau sagen, was es war. Doch sie schien selbstbewusst, fast unantastbar, wie eine Silhouette inmitten eines Sturms.
Er zuckte schließlich mit den Schultern und riss seinen Blick von ihr los. Was auch immer sie war, sie konnte offenbar auf sich selbst aufpassen. Sein Blick wanderte zur Decke, die drohend über ihm hing. Große, faustgroße Brocken des brüchigen Gesteins fielen herab, krachten auf den Boden und zerschmetterten dabei die Überreste der niedergestreckten Ghule. Feine Risse zogen sich wie ein Spinnennetz durch den rauen Stein und das unheilvolle Grollen, das von oben ertönte, ließ die gesamte Krypta erbeben.
Aus dem Augenwinkel bemerkte er plötzlich etwas auf seiner rechten Schulter. Mit Ekels fokussierte er den Anblick und erkannte, dass ein schmieriger, blutiger Fleischfetzen an seiner Kleidung klebte. Ein abgerissenes Ohr. Iskaii rümpfte die Nase. Er schnippte das Ohr weg, als hätte es ihn verbrannt und sah zu, wie es über den Boden rollte und schließlich in einer Blutlache zum Liegen kam.
"Ich benötige ein ganzes Meer, um diesen Gestank loszuwerden", knurrte er leise, während ihm der beißende Geruch von Blut und Verwesung in die Nase stieg. Der Gestank kroch ihm in die Sinne, haftete sich an seine Kleidung, an seine Haut und er konnte fast spüren, wie er sich in seine Seele fraß.
In diesem Moment erschütterte ein heftiges Beben die Krypta. Der Boden unter seinen Füßen bebte und krachte, als wäre die Erde selbst dabei, ihn zu verschlingen. Die Wände wölbten sich unter dem Druck und Staub rieselte von der Decke herab, wie der erste Vorbote eines bevorstehenden Sturms.
Iskaii wusste, dass er keine Zeit mehr hatte. Diese verfluchte Gruft war im Begriff, über ihm zusammenzubrechen und ihn in einem steinernen Grab zu begraben, aus dem es kein Entkommen geben würde. Sein Herz hämmerte in seiner Brust und sein Atem ging schneller, während er einen letzten, flüchtigen Blick in den Gang warf, in dem die Fremde verschwunden war. Eine Sekunde lang überlegte er, ihr zu folgen, doch etwas hielt ihn zurück.
Mit einem entschlossenen Ruck wandte er sich ab und begann, sich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen – hinauf, raus aus dieser verfluchten Krypta.
Er war noch nicht weit gekommen, als sich die Luft um ihn verdichtete. Ein dumpfes Knurren drang aus dem Schatten des dunklen Korridors und kurze Zeit später sah er die ersten Ghule auf sich zustürmen. Panik schien ihre Bewegungen zu beschleunigen.
In einem Reflex, der so schnell war, dass er selbst ihm wie ein verschwommenes Bild vorkam, zog er sein Schwert. Ein kurzes Augenrollen und die Ghule waren schon von den ersten Hieben getroffen. Jeder Schlag präzise und tödlich, die Bewegungen seiner Arme geschmeidig wie die eines Tänzers, und bald klebten die Überreste der Kreaturen nicht nur an Wänden, sondern auch an der Decke und dem Boden, wo Blut und Fleisch zu einer grotesken Collage vereint waren.
Das Beben unter seinen Füßen wurde heftiger, als ob die Erde selbst gegen die Intrusion rebellierte. Trümmer brachen aus den Wänden und die riesigen Brocken fielen wie riesige, tödliche Felsen von einem drohenden Abgrund. Iskaii konnte die Erschütterungen bis in die Knochen spüren.
Er rannte durch den Korridor, wo der Staub in dichten, schmutzigen Schwaden durch die Luft wirbelte und seine Sicht beinahe vollständig nahm. Jedes Einatmen wurde zu einem schmerzhaften Kampf, als die feinen Staubpartikel in seinen Lungen brannten. Steine und Deckenfragmente stürzten rund um ihn herab, und er wich ihnen mit einem Reflex aus, der an purer Instinkt war. Der Boden war übersät mit zerschmetterten Ghuls, deren Körper von den herabfallenden Trümmern wie Mürbeteig zerquetscht worden waren.
In der Ferne, durch den dichten Schleier aus Staub, glaubte er, menschliche Umrisse zu erkennen – eine Gruppe, die sich durch die chaotische Szenerie bewegte.
Plötzlich, übertönt von dem ohrenbetäubenden Lärm des zusammenbrechenden Gebäudes, drang ein Schrei an seine Ohren. Die Worte waren von einer verzweifelten Dringlichkeit durchzogen und kämpften gegen das Tosen der Zerstörung:
„Raus jetzt hier!! Das ganze verfluchte Mistding stürzt jede Sekunde ein und wird uns unter sich begraben! Kein Ende, welches ich mir für meinen freien Abend gewünscht habe!"