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Kapitel 14

„Runter", brüllte Jason und sofort duckte Freya sich, während sie eine ihrer Klingen über den Brustkorb eines weiteren Ghuls trieb. Gemeinsam gingen sie zu Boden. Jasons Schüsse trafen zwei weitere präzise in die Schädelplatte. Der Ghul neben Freya wandte sich auf seine Gliedmaßen und kroch fauchend auf sie zu. Blut und hervorquellende Gedärme hingen aus seinem Brustkorb, doch offensichtlich schien das diesen nicht zu stören.

Freya sprang auf und holte Schwung. „Stirb." Mit aller Kraft stieß sie das Messer durch seine Augenhöhle und wartete darauf, dass es leblos zusammensackte.

Ein lautes Knacken erweckte ihre Aufmerksamkeit. Ihr Blick huschte zu Liam, der seinen Fuß aus den Überresten eines Ghulschädels zog. „Langsam macht es keinen Spaß mehr."

Es waren kaum zehn Minuten vergangen und die Quote der getöteten Ghuls lag weit über zwanzig. Sie krochen aus allen Ecken und gingen mit wilder Raserei auf alles los, was sich bewegte. Bereits jetzt waren die drei vollständig mit schwarzem Blut und stinkenden Sekreten überzogen. Es verklebte ihre Haare, kroch unter ihre Klamotten und machte aus ihnen Ebenbilder des Schreckens.

Sie waren kaum mehr als wenige Schritte vorangekommen und hingen immer noch in dem dunklen Gang gefangen. Um sie dröhnten unmenschliche Geräusche, die von allen Seiten als Echo auf sie einprasselten.

„Na? Sind wir jetzt wenigstens einer Meinung, dass es eine durchaus beschissene Idee war?"

Freya zeigte Jason den Mittelfinger und drehte sich um ihre eigene Achse.

„Das muss ein Nest sein", gab Liam zähneknirschend von sich.

„Hoffen wir, dass es nur das ist und sich hier nicht eine direkte Pforte zur Unterwelt befindet", maulte Jason und wischte sich mit der Rückhand blutige Knochenreste aus dem Gesicht.

„Wäre dem so, hätte Noraja sich nicht verpisst", stellte Freya fest und doch konnte sie das aufsteigende Gefühl, dass etwas nicht stimmt, kaum noch unterdrücken.

Schlagartig verstummten sämtliche Geräusche. Liam hob den Kopf, sah durch die Gänge und runzelte die Stirn. „Was ist jetzt passiert?"

Freya deutete den beiden mit einem kurzen Kopfnicken an, ihr zu folgen. Schleichend bewegten sie sich durch den Gang, der mit jedem Schritt etwas breiter wurde. Bedacht darauf, dass sie keinen Lärm machten, senkte Freya die Fackel etwas tiefer, um den verschmierten Boden besser zu erhellen. Blutige Pfützen spiegelten das goldene Licht der Flamme wider.

„Waren die anderen schon hier?", fragte Liam kaum hörbar.

„Ich denke nicht", antwortete seine Schwester, als sich sanfter Lichtschein vor ihren Füßen auftat. Zu ihrer Linken erstreckte sich ein weiterer Durchgang, doch hinter ihm lag kein Gang. Es war ein Loch im Felsen, welches den Blick auf grobgehauene Felswände freigab. Vorsichtig traten sie an den Rand, denn vor ihnen tat sich ein metertiefer Abgrund auf und diese Einbuchtung erwies sich als Empore. Bedächtig reckten die drei ihre Köpfe und starrten in den Abgrund.

„Fick mich doch. Das müssen Hunderte von diesen Viechern sein", flüsterte Liam, als hinter ihnen leise Schritte ertönten.

~~~

„Und du bist dir ganz sicher, dass Mr. Unsterblich nicht als Guhlscheiße endet?", fragte Samantha und ihre Stimme schwang zwischen ungläubigem Spott und echter Sorge. Die Fackel in ihrer Hand warf unruhige Lichtkegel an die feuchten Wände des engen Gangs. Samantha biss sich auf die Unterlippe, als sie an die Ghule dachte, die sie hinter sich gelassen hatten.

„Das waren locker noch zwanzig Stück, und wer weiß, ob sich nicht noch mehr in irgendwelchen Löchern verstecken."

Dandelia, die kaum einen Schritt hinter ihr war, hielt kurz inne und zog scharf die Luft durch die Zähne, als sie den Stoffstreifen, der einst der Ärmel ihres Hemdes war, enger um ihre verletzte Schulter zog.

„Ich glaubte, Iskaii sei Euch egal", sagte sie, ihre Stimme hart, aber nicht ohne eine Spur von Überraschung. Ihre Finger waren blutverschmiert, der Schmerz ließ ihren Kopf dröhnen. „Woher kommt die Sorge?"

Samanthas Schultern spannten sich an, sie blieb stehen, drehte sich langsam um und sah Dandelia in die Augen, ihre Miene plötzlich ernst, die Kälte, die sie sonst umgab, schien für einen Moment zu schmelzen.

„Ich bin kein komplettes Arschloch", murmelte sie, als hätte sie es mehr zu sich selbst gesagt als zu Dandelia. „Es wirkt nur so."

Die Worte hingen schwer zwischen ihnen, ungesagt blieb das, was dahinter lag. Ein Hauch von Reue, der bloße Schatten einer Vergangenheit, die Samantha tief unter ihrem zynischen Äußeren begraben hatte.

„Dieser Dämlack riskiert gerade sein Leben", fuhr die Rothaarige fort, „während wir lustig durch diese beschissenen Gänge irren, auf der Suche nach CCKs Irren, von denen wir vielleicht nur die Überreste finden."

Der Tunnel vor ihnen schien endlos zu sein, ein Labyrinth aus Finsternis und Gefahr. Samantha hob die Fackel höher und setzte sich in Bewegung, entschlossener als zuvor. Dandelia folgte ihr, den Schmerz ignorierend, der ihre Schulter durchzuckte.

"Iskaii ist kein gewöhnlicher Krieger. Hätten wir auch nur einen Moment länger gewartet, hätten wir unser aller Tod riskiert."

"Wenn du das sagst, Weißlöckchen", gab sie zurück. Doch Dandelia ließ sich nicht beirren. Ihre Hand, kleiner, zierlicher, aber fest wie Stahl, schoss vor und packte Samantha am Arm, mit einer Dringlichkeit, die keine Widerrede duldete.

"Ich kenne ihn ...", begann sie, und die Enge um sie herum schien plötzlich stiller zu werden, als ob selbst die Schatten den Atem anhielten und zwang sie, abzubrechen. "Riecht Ihr das?" Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, doch die Schärfe darin schnitt durch die drückende Stille. Samantha hob die Nase, schnupperte zögerlich und eine Welle von Ekel durchflutete sie. Der Geruch war überwältigend, ein Übelkeit erregender Cocktail aus Fäulnis, Verwesung und Moder, der sich wie eine schwere Decke über ihre Sinne legte.

"Ich beschwere mich nie wieder über Dean, nachdem er stundenlang trainiert hat und mir seine Achselhöhle unter die Nase hält", murmelte sie, halb scherzhaft, halb ernst, in einem Versuch, die unerträgliche Spannung zu brechen. "Diese Guhle übertreffen echt alles." Aber selbst als sie das sagte, bemerkte sie eine Nuance im Gestank, die ihr zuvor entgangen war, etwas, das unter der widerwärtigen Oberfläche lauerte.

"Das ist nicht nur der Gestank dieser Kreaturen. Darunter schwebt noch ein anderer Geruch...", bemerkte Dandelia leise.

Samantha atmete tief ein, zwang sich, die olfaktorische Barriere zu durchbrechen und sofort wurde ihr klar, was Dandelia meinte.

"Du hast recht", wisperte sie, ihre Stimme war nun todernst, alle Spur von Humor verflogen. "Das ist Blut. Viel frisches Blut." Der Gedanke daran ließ eine kalte Welle über ihren Rücken laufen, doch sie unterdrückte das Zittern, das in ihren Gliedern aufsteigen wollte.

Entschlossen setzte sie sich wieder in Bewegung, ihre Schritte hallten leise in der Finsternis wider und Dandelia folgte ihr dicht auf den Fersen. Die Luft um sie herum wurde schwerer, dichter, und das bedrückende Gefühl der nahenden Gefahr legte sich wie ein Schleier über sie. Nicht lange, dann ging das dumpfe Klacken ihrer Schuhe in ein widerliches, nasses Platschen über.

Ein schneller Blick nach unten ließ Samantha den Atem anhalten. Der Boden aus solidem Stein war übersät mit dunklen, glänzenden Pfützen, die sich wie zähflüssiger Sirup in den Ritzen des alten Gemäuers sammelten. Blut, dunkel und frisch, glänzte in der schwachen Beleuchtung, und die purpurne Flüssigkeit schien beinahe zu pulsieren, als ob sie noch lebte, noch warm und voller Energie war.

„Das hier ist nicht cool, überhaupt nicht", flüsterte Samantha mit zitternder Stimme, während sie sich an Dandelia wandte. „Ich mag gar nicht darüber nachdenken, worauf das hinausläuft."

Der Gestank von Verwesung mischte sich mit dem metallischen Duft von Blut und brachte eine Übelkeit in ihnen auf, die nur schwer zu unterdrücken war.

Plötzlich öffnete sich vor ihnen ein Raum, größer und bedrohlicher als alles, was sie bisher gesehen hatten. Ihre Blicke hoben sich zögernd und erfassten die gewölbte Decke, die von Schatten durchzogen war. Ein dumpfes, unheimliches Grollen hallte durch die Mauern.

Doch es war nicht die Architektur, die ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ, sondern das, was sie auf den steinernen Altären entdeckten. Dandelias Herz schlug heftig in ihrer Brust, als sie die Leichenteile sah, die wie groteske Trophäen aus einem Albtraum darauf drapiert waren. Die Überreste von Menschen, unvollständig und grausam verstümmelt, lagen in einem bizarren Muster verteilt, als hätte ein wahnsinniger Künstler seine kranke Vision hier ausgelebt.

Ihr Blick fiel auf die verstreuten Gliedmaßen, die den Boden bedeckten wie die Reste eines makabren Banketts. Zwischen den Steinen hatten sich dunkle Lachen von geronnenem Blut gebildet, in denen sich die schummrigen Lichtstrahlen der Fackel verloren. In großen Bottichen quollen Organe und Eingeweide hervor, als wären sie achtlos dort hineingeworfen worden, wie Abfall, den niemand entsorgen wollte. Das grauenhafte Schauspiel ließ ihre Haut vor Ekel und Entsetzen prickeln.

An den Wänden klebten Haarbüschel, feucht und unheimlich, als wären sie von einem unbarmherzigen Handwerk zurückgelassen worden. Die rostigen Folterwerkzeuge, die wie düstere Trophäen an den Wänden hingen, schienen Geschichten von unsagbarem Schmerz und Qualen zu erzählen.

Der Geruch war überwältigend. Es war eine Mischung aus Eisen, Blut und Verfall, die so intensiv war, dass die beiden Frauen gezwungen waren, durch den Mund zu atmen. Ihre Kehlen brannten und es kostete sie all ihre Willenskraft, nicht vor Ekel zu erbrechen. Sie konnten die Bitterkeit des Todes auf ihren Zungen schmecken, während sie versuchten, sich nicht von der Panik überwältigen zu lassen, die in ihnen aufstieg.

"Guhle brauchen keine Folterwerkzeuge", raunte Samantha und fügte hinzu: "Ihre bloße Existenz ist Qual genug für jedes Lebewesen, das ihnen in die Finger fällt."

Mit jedem Schritt, den sie auf dem kalten, feuchten Boden machte, hallte das leise Echo ihrer Schritte durch den Raum. Plötzlich spürte sie unter ihren Chucks ein leises, widerliches Ploppen, gefolgt von einem feuchten, glitschigen Gefühl. Sofort hielt sie inne, ihr Herz schlug schneller, und sie konnte das Adrenalin förmlich in ihren Adern rauschen hören.

Langsam ließ sie die Augenlider sinken, als ob sie das vor der grausamen Realität schützen könnte, die sie unter ihren Füßen vermutete. Doch die Neugier zwang sie, die Augen wieder zu öffnen. Zögerlich ließ sie den Blick nach unten wandern, ihr Atem stockte. Das Licht, das von ihrer Fackel ausging, fiel auf etwas, das schlaff und glanzlos am Boden lag – ein geplatzter Augapfel, dessen Flüssigkeit in einem widerlichen Schleim auf dem dreckigen Boden zerflossen war. Der Anblick war so grotesk, dass ihr Magen sich zusammen krampfte, doch sie zwang sich, nicht die Beherrschung zu verlieren.

Ihre Lippen verzogen sich in einem Ausdruck purer Abscheu, während sie sich tief nach vorne beugte und mit der Spitze ihres Schuhs versuchte, den glitschigen Überrest von ihrer Sohle zu kratzen. Der Augapfel wollte sich nicht lösen, er schien fast klebrig zu sein, als ob die Reste von Leben, die er einst beherbergt hatte, sich verzweifelt an sie klammern wollten.

„Wir werden diese verfluchte Krypta mit allem und jedem darin in die Luft jagen." Ihre Stimme zitterte vor angestauter Wut und Abscheu. Jede Faser ihres Seins wollte nur noch weg von diesem schrecklichen Ort, der von Tod und Verzweiflung durchdrungen war.

Samantha zog das Handy aus ihrer Jeanstasche und geübt tippte sie einhändig eine Nachricht.

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